Donnerstag, 29. Dezember 2016

Ein Kindlein in der Wiegen

"Alle Jahre wieder", "Oh Tannenbaum", Jingle Bells" ... nun mag ich die meisten dieser Lieder nicht mehr hören, schon gar nicht, wenn sie in einer swingenden, auf modern gemachten Bearbeitung daherkommen.
Da ist die CD "Ein Kindlein in der Wiegen - Weihnachten zur Lutherzeit" eine Entdeckung, die in wohltuendem Kontrast zum Mainstream steht. Nur wenige der Stücke auf der CD sind heutzutage als Weihnachtslieder bekannt, aber im beiliegenden Booklet wird die Entstehungsgeschichte aller Lieder bzw. Instrumentalbeiträge beschrieben und ihre Beziehung zum Weihnachtsfest erklärt.
Die Musik stammt zum größten Teil aus der Reformationszeit und ist geprägt von der Harmonik der Renaissance: eher streng und karg, gar nicht süßlich. Die oft sehr freie rhythmische Gestaltung nach dem gesungenen Text erhöht den Reiz der Lieder. Vor allem aber sind es die Interpreten, die mit ihrem Können auf den alten Instrumenten und mit ihrer Singstimme diese Musik mit Leben erfüllen und den Zuhörer aufhorchen lassen: Das Ensemble "Capella de la Torre" wird von Katharina Bäuml geleitet, und auf der Webseite des Ensembles erfährt man, dass lauter hochkarätige Musiker beteiligt sind.

Sonntag, 30. Oktober 2016

Herbstgedicht(e)

Bei diesem milden und sonnigen Herbstwetter kommen mir Verse aus berühmten Herbstgedichten in den Sinn, geschrieben von Rainer Maria Rilke, Georg Trakl, Hermann Hesse, Theodor Storm oder Friedrich Hebbel. Eines der schönsten Gedichte zum Thema fehlt jedoch in den gängigen Anthologien: das von Ferdinand von Saar (1833 - 1906). Dieser österreichische Dichter, der zur Epoche des Naturalismus gezählt wird, hat sich vor allem durch Novellen hervorgetan. Viele seiner Gedichte werden zu Recht kaum gelesen und wirken sentimental und manchmal anklagend, aber das folgende "Herbstgedicht" ist ein kleines Juwel und verdient eine größere Verbreitung:

Der du die Wälder färbst,                                  
Sonniger, milder Herbst,
Schöner als Rosenblühn
Dünkt mir dein sanftes Glühn.

Nimmermehr Sturm und Drang,
Nimmermehr Sehnsuchtsklang;
Leise nur athmest du
Tiefer Erfüllung Ruh.

Aber vernehmbar auch
Klaget ein scheuer Hauch,
Der durch die Blätter weht:
Daß es zu Ende geht.

Dienstag, 6. September 2016

Festivalsommer (Teil 2): Festival Mediaval

Das Festival "Mediaval" findet alljährlich in Selb (Nordostbayern) statt und ist nach eigenen Angaben das größte Mittelalterfestival Europas. Größe bedeutet aber nicht, dass die musikalische Qualität im Durchschnitt auch größer ist als bei kleineren Veranstaltungen, wie der Vergleich mit dem Festival in Lommis zeigt. Auf den beiden großen Bühnen "Schlossbühne" und "Burgbühne" wurden die Konzerte natürlich elektronisch verstärkt, aber da wäre weniger mehr gewesen: Vor allem die Bässe waren durchwegs zu laut und stellten bisweilen die Melodieistrumente in den Schatten. Das mag dem Umstand geschuldet sein, dass vor den Bühnen Tanzfreudige durch einen starken Beat unterstützt werden sollten. Allerdings waren viele Kleinkinder anwesend, und nur wenige Eltern hatten für ihre Kinder mit einem Gehörschutz vorgesorgt.
Natürlich gibt es keinen Musikstil namens "Mittelalter", darum waren beim Festival auch Bands verschiedener Musikrichtungen vertreten, auch solche, deren Musik von Rap, Rock, Metal geprägt war und von denen ich annahm, dass sie meinem Geschmack eher nicht entsprechen würden. Einige Ensembles bezogen sich auf skandinavische Traditionen und hatten von dort Anregungen aufgegriffen, nicht nur, was das Instrumentarium betraf, sondern auch die Texte und die Harmonien. Ein Schwerpunkt war Musik aus dem Balkan. Bei der Vielzahl der auftretenden Ensembles war es mir natürlich nicht möglich, alle zu hören, die ich im Vorfeld als interessant eingestuft hatte, darum kann ich nur Ausschnitte aus dem umfangreichen Programm beschreiben und beschränke mich auf die Bands, die den lebendigsten Eindruck hinterlassen haben. 

Nun zu den auftretenden Gruppen: "Estampie" bot ein ansprechendes und abwechslungsreiches Programm dar, in dem instrumentale Passagen mit Gesang abwechselten.


Das Konzert von "Qntal" hingegen hat meine Erwartungen nicht erfüllt. Die Bühnenshow war aufwendig und ausgefeilt, gewiss, aber die Musik war zu gleichförmig mit stetig stampfendem Rhythmus und elektronisch wabernden Klängen.
Eine Entdeckung waren die drei Musiker von "Violons Barbares": Ein Percussionist eröffnete das Konzert mit virtuosen Rhythmen. Ein mongolisches Streichinstrument, die Pferdekopfgeige, lieferte die dunklen Streicherklänge, aber nicht mit samtigem Wohlklang, sondern rauh, ungestüm, rhythmisch akzentuiert, und zusammen mit der bulgarischen Gadulka entstand ein faszinierender Sound mit orientalischen Harmonien, vielen Flageoletts und typischen Verzierungen. Dazu überraschte der Musiker aus der Mongolei, Dandarvaanchig Enkhjargal,  mit einer wandlungsfähigen Stimme und virtuosem Obertongesang.
Schließlich möchte ich noch die Band "Dikanda" erwähnen, deren Stücke von den Traditionen des Balkan geprägt sind, die schwungvoll und stimmig dargeboten wurden.

Festivalsommer (Teil 1): Sunny Mountain Bluegrass Festival

In Lommis, etwa 30 km östlich von Winterthur gelegen, treffen sich alljährlich im Spätsommer Anhänger der Bluegrass-Szene, um Bands zu hören und spätabends noch selbst zu "jammen".
Dieses Jahr waren vier Bands eingeladen, von denen jede zwei Mal auftrat, jeweils mit einer verschiedenen Setlist. Zwischen den beiden Blöcken stellte ein Duo mit viel Erfahrung, genannt "The Miller's", Songs der legendären Delmore Brothers vor. Die erste Band auf der Bühne, "Blue Acoustic Flavour", ließ durch interessante Arrangements aufhorchen. Auf innovative Weise lotete sie die Genregrenzen des Bluegrass aus und erweiterte sie in Richtung Folk und Jazz. Dadurch wirkten ihre Darbietungen sehr abwechslungsreich und vielfältig.


Das Duo Racek und Vankat aus Tschechien überzeugte durch ausdrucksstarken Gesang und temperamentvolles Spiel:


"Sunny Mountain Grass", die Band des Gastgebers und Veranstalters, begeisterte ihre Fans mit fetzigen Traditionals. Und schließlich betrat die Gruppe "Nugget" die Bühne. Die vier Musiker mit österreichischen, slowakischen und französischen Wurzeln weisen viele Jahre Musiziererfahrung im Bluegrass-Stil auf; die Besetzung ist aber in der Zeit nicht immer gleich geblieben; lediglich der Gründer Helmut Mitteregger ist aus der Anfangszeit noch dabei. Die Spielfreude der "Nuggets" animiert die Zuhörer zum Mitwippen im Takt.

Montag, 22. August 2016

Bemaltes Porzellan - neue Motive

In den letzen Wochen habe ich mich wieder mit der Malerei auf Porzellan beschäftigt, und diese Werke sind dabei (unter anderem) entstanden:



Samstag, 25. Juni 2016

Tradition und Festzeltkultur

Jeden Sommer wieder kann der Besucher in manchen bayerischen Gemeinden von Brauchtumsvereinen organisierte Feste erleben, die in aller Regel in einem Festzelt stattfinden. An einem Ende des Zeltes befindet sich eine Bühne, der Großteil der Fläche wird von Biertischen und -bänken eingenommen. Es gibt zu essen und zu trinken (vor allem Bier), auf der Bühne spielt eine Blaskapelle und verschiedene Volkstanzgruppen präsentieren ihre eingeübten Tänze in einheitlicher Tracht. Gelegentlich treten Schuhplattler auf, auch Kindertanzgruppen sind zu sehen, vor allem an den Nachmittagen. Der Lärmpegel ist beträchtlich, bedingt durch die Akustik im Zelt. Die Musik wird durch Mikrofone verstärkt, aber abgesehen davon sind die vorgetragenen Tänze eher getragen und gemächlich. Die Veranstalter betonen, dass sie "das trachtlerische und musikalische Können an die nächste Generation weitergeben" wollen, nur: Fühlt sich die junge Generation von dieser Art Brauchtumspflege angesprochen? Der junge Festzeltbesucher kann sich mit Freunden an einen Tisch setzen und Essen und Getränke konsumieren, aber schon ein Gespräch ist bei der herrschenden Lautstärke im Zelt schwierig zu führen. Am Tanz können nur die Besucher teilnehmen, die in der entsprechenden Tracht gewandet sind und mit ihrem angemeldeten Verein gekommen sind.
Ganz anders die Volkstanzveranstaltungen französischer Tradition, Bal Folk genannt, die es mittlerweile auch hierzulande gibt: Die Bühne ist für die Musiker da, und im Saal tanzt Jung und Alt, Groß und Klein. Ganz selbstverständlich bewegen sich die Kinder inmitten der Erwachsenen, werden bei den Kreistänzen integriert und wachsen so in der Tradition auf. So unangestrengt kann "lebendige Brauchtumspflege" sein. Es bleibt unbestritten, dass unsere Trachtenvereine viel Zeit, Idealismus und Gemeinsinn aufbringen, um ihre Ziele zu fördern, aber bei den Strategien zur Erreichung der Ziele können sie noch nachbessern.
Auch bei uns gibt es mittlerweile viele Musikgruppen, die die alpenländische Musik so spielen können, dass sie zum Tanzen animiert.

Sonntag, 15. Mai 2016

Volxmusik Teil 3 "bratfisch"

Vor kurzem bin ich auf eine Band aus Wien aufmerksam geworden. Die vier jungen Männer treten auf unter dem Namen "bratfisch", und ihre Musik nennen sie "Weltstadtmusik" auf ihrer zuletzt erschienen CD "Aus heiterem Himmel". Der Klang des Wienerlieds ist ein paar Takte lang zu hören, aber die Schrammelseligkeit wird bald gebrochen und mündet in moderneren Stilen. 
Der Sänger der Band, Matthias Klissenbauer, kann (und will) seine Herkunft nicht verleugnen; er singt wienerisch mit einer leicht angerauhten Stimme. Gleich das erste Lied ist eine Melange aus Wiener Dialekt und französischen Floskeln, die mit Wiener Akzent gesprochen werden - sehr charmant. Es gibt auch Tracks mit Texten, die slawisch sind, aber weder tschechisch noch slowakisch (was die geographische Nähe zu Wien suggerieren könnte), sondern eher südslawisch, denn die Musik weist eindeutig in Richtung Balkan. Leider sind weder der Originaltext noch die Übersetzung  abgedruckt. Zur CD "Unter Wasser", die davor erschienen ist, gibt es allerdings schon ein Begleitheft mit Hinweisen zu den Liedern und Stücken. "Vanillekipferlmond", ein Lied mit originellen sprachlichen Bildern, wird mit fernöstlichen Anleihen eingeleitet.
Auch die meisten Instrumentalstücke erzeugen für mich eine Atmosphäre der Leichtigkeit und fordern geradezu zum Tanz auf. Der "Herrenseer Landler" z. B. tritt zunächst im Lokalkolorit auf, aber dann mischen sich Elemente des Balkan und Klezmer drein. Auch "Plan B" ist ein mitreißendes Stück, in dem alle Instrumente zu Wort kommen und abwechslungsreich agieren.

Dienstag, 22. März 2016

"Sadako will leben" - Was hat ein Jugendbuch mit dem fünften Jahrestag von Fukushima zu tun?

Hitze, blendende Helligkeit, orkanartiger Sturm, Rauch, Feuer, Schreie ....eindrücklich beschreibt Karl Bruckner den Abwurf der ersten Atombobe über Hiroshima in seinem Buch "Sadako will leben". Am Beispiel der jugendlichen Sadako erfährt der Leser die Auswirkungen und Spätfolgen der atomaren Strahlung auf den Menschen. Im Erscheinungsjahr 1961 legte dieser Jugendroman ein aufrüttelndes Zeugnis gegen den atomaren Krieg ab. Heutzutage mögen manche Passagen ein wenig pathetisch klingen, denn wir erwarten in Jugendbüchern eher schnoddrige Sprache und Lässigkeit im Ausdruck, doch das schmälert nicht die Aktualität und Brisanz des Werks.
Jahrelang war dieser Roman vergriffen, doch endlich wurde er 2005 neu aufgelegt. In welchem Zusammenhang steht nun dieses Antikriegsbuch mit Fukushima? Schon Robert Jungk hat darauf hingewiesen, dass die sogenannte "friedliche Nutzung der Atomkraft" nur ein Nebenprodukt der Erforschung und Entwicklung der Atomwaffen war. 
Dass eine der größten Atomkatastrophen der Neuzeit in Japan passierte, in dem Land, in dem die ersten Atombomben fielen, macht deutlich, dass das Gedächtnis der Menschheit sehr kurz ist, vor allem im Verglein mit den Zeitspannen, in denen radioaktiver Abfall strahlt und so sicher wir möglich unter Verschluss gehalten werden sollte.

Dienstag, 8. März 2016

"Wolf Hall" und "Bring up the Bodies"

So heißen die ersten beiden Romane der als Trilogie angelegten Lebensgeschichte von Thomas Cromwell, eines Rechtsanwalts am Hofe Heinrichs VIII. Hilary Mantel, die Autorin, erzählt aus der Perspektive von Thomas Cromwell, und das bisher letzte bedeutende Ereignis ist die Enthauptung von Anne Boleyn. 
Nun warte ich schon einige Jahre sehnlich auf den dritten Band - sehnlich, aber auch mit Bangen - da ich ja weiß, welches Ende den Romanhelden erwartet, und er mir sympathisch geworden ist. Vor einigen Wochen ist im Fernsehen die Verfilmung der bis jetzt vorliegenden Bände gezeigt worden, und ich fürchtete, das könnte bedeuten, dass Frau Mantel die Trilogie nicht mehr zu Ende schreibt. Inzwischen weiß ich von ihrer Webseite, dass sie am dritten Band arbeitet.
Die Verfilmung ist sehr gelungen, meine ich, denn sie kann die Atmosphäre einer stets im Hintergrund präsenten Gefahr spürbar machen. Der Leser (und der Zuseher) ist sich unablässig bewusst, dass Cromwell vorsichtig handeln und sprechen muss, dass das Leben am Hof Heinrichs VIII von Intrigen und Hinterhalt gekennzeichnet ist. Dazu kommt noch die Bedrohung durch den religiösen Eifer in jenem Zeitalter der Reformation, als in ganz Europa religiöser Wahn und Machtanspruch zu hochnotpeinlichen Verhören und zum Tod am Scheiterhaufen führten. Sowohl im Buch als auch im Film wird immer wieder einmal von verschiedenen Charakteren die Frage gestellt: "Are you threatening me?" Cromwells Standpunkt in Religionsfragen wird nur indirekt angesprochen; er verhält sich pragmatisch und sympathisiert mit dem menschenfreundlichen Flügel der Reformation.
Besonders der Film ist ein Augenschmaus für alle, die sich für das Zeitalter der Renaissance interessieren: Gebäude, dörfliche Ensembles gibt es zu bewundern, Kleidung, höfische Belustigungen wie Turniere und das Bogenschießen sind zu sehen. Die Musik bleibt unaufdringlich; die wiederkehrenden Motive unterstreichen die ständige Anspannung und latente Gefahr.
Den dritten Roman erwarte ich mit Spannung und hoffe auf eine kongeniale Verfilmung.

Dienstag, 9. Februar 2016

Sormeh - die etwas andere Frauenband

Zwei Iranerinnen, Golnar Shahyar und Mona Matbou Riahi, und eine gebürtige Serbin, Jelena Poprzan, haben sich in Wien zur Band "Sormeh" formiert. Vor einiger Zeit habe ich sie im Konzert gehört und war begeistert von ihrer Vielseitigkeit und Ausdrucksstärke. Die CD "Sormeh" (persisch: "Lidstrich") hält die Erinnerung an den Konzertabend lebendig.
Auch wenn ich die Texte nicht verstehe, berührt mich der emotionsgeladene Gesang von Golnar Shahyar, z. B. im Lied "Nani, nani" oder "Adio Querida". Ihre Stimme hat ein eher tiefes Timbre, und dazu passen das tiefe Register der Klarinette von Frau Riahi und der Klang der Viola von Frau Poprzan. Auch die anderen beiden Bandmitglieder singen, z. B. in "Azadi", dem letzten Track auf der CD, ein dreistimmiges A-Capella Lied. 
Die Musikerinnen schöpfen aus verschiedenen östlichen Traditionen und machen spannende Arrangements daraus, einmal voll Schwermut wechselnd mit aufgewühlten Passagen, dann voll Fröhlichkeit in den Stücken aus der Klezmertradition. "What can you mach, S'is Amarica" sprüht vor Lebensfreude, hier mit Jelena Poprzan als Leadsängerin.
Der CD ist ein informatives Booklet beigefügt mit Erklärungen und Übersetzungen einiger Liedtexte sowie mit Hinweisen auf den Ursprung der Stücke.